Wie baut man ein Desktopsystem für Anwender?

Das ist eine ernst gemeinte Frage. Unter Anwender verstehe ich jemanden wie meine Schwiegermutter, meinen Opa, oder den Arzthelfer.

Ich will nicht unbedingt sagen dass es einen Renter-Modus geben soll. Mit dem Problem von nicht mehr funktionierender oder verstellter Software wird man quasi ständig konfrontiert. Man denke nur an die Anmeldung beim Arzt, oder beim Amt. Ständig? Nein. Das ist übertrieben. Nur dann wenn der Anwender auch Einstellungen verändern kann. Ich kann mich zumindest nur schwer an einen Supermarktbesuch erinnern, an dem die Kasse gestreikt hat.

Aber zurück zu Desktopsystemen, ganz unabhängig vom Benutzten Betriessystem. Ein Anwender-Anwender benötigt nicht besonders viel. Natürlich wird eine Art von grafischer Oberfläche benötigt. Hier sollte eingesetzt werden, mit dem der konkrete Anwender am besten zurecht kommt und was sich am besten in das Ökosystems des Anwenders eingliedert. Besitzt der Anwender z.B. ein iPhone und ein iPad, finde ich es mehr als überlegenswert zu einem Mac zu greifen.  Benutzt der Anwender noch ein Windows XP kann man quasi alles (auch z.B. Cinnamon, oder Mac OS X) nehmen, da der Sprung eh riesig ist. Hier gilt es nicht die eigenen persönlichen Vorlieben durchzusetzen, sondern die des Anwenders!

Was benötigt der Anwender neben der grafischen Oberfläche?

Browser: Auch hier gilt. Persönliche Vorliebe ade. Wir möchten das für den Anwender am besten passende System zusammen schnüren. Unter Mac OS X wird wohl auf Safari zurückgegriffen, unter Windows auf den Internet Explorer, unter Linux ggf. Firefox. Es ist auch zu berücksichtigen welche Anwendung der Anwender auf seinem alten System verwendet. Läuft dort Firefox auch immer in der neusten Version, sollte dies auf dem neuen System berücksichtigt werden, unabhängig vom Betriebssystem.

Mailprogram: Und das nicht einmal zwingend. Liest der Anwender seine Mails über ein Web-Interface, soll das auf dem neuen System auch so bleiben.

Office-Suite: Eigentlich gilt das selbe wie oben. Am besten das gelernte Programm übernehmen, aber auf keinen Fall in der alten Version.

Foto-Suite, Chat(?): s. o.

Viel mehr fällt mir zum Thema "notwendige" Software auch schon nicht ein. Vielleicht kommt noch ein Dateibrowser hinzu. Hier kann sogar die zu verwendende Software auch gleich das Betriebsystem mit beeinflussen. Dies würde ich aber nur gelten lassen, wenn schon die neuste Version auf dem Altsystem zum Einsatz kommt. Muss man ein Update von 10 Jahren machen, kann man auch gleich auf eine andere Software umsteigen. Im besten Fall ist auf dem Altsystem schon die meiste Software in der neusten Version vorhanden.

Ist die benötigte Software soweit klar umrissen, sucht man das Betriebssystem aus. Am besten mit der betroffenen Person zusammen, obwohl sich das oft wegen akuter Ungeduld auf beiden Seiten als schwierig erweist.

Ist das Betriebssystem ausgewählt und installiert werden benötigte Programme installiert und konfiguriert. Sowohl die eigentliche grafische Oberfläche, als auch die Programme. Jedliche nicht benötigte Software fliegt runter. Es werden Panels, Docks, Icons, etc. erstellt und konfiguriert. Meinetwegen wird noch ein schönes Theme ausgewählt und das Hintergrundbild gesetzt. Es sollte eine Grundeinstellung geben und diese mit der betroffenen Person verfeinert werden.

Ein in der letzten Zeit häufig aufgetauchtes Problem sind Tastaturkürzel. Meiner Meinung nach sollten die Tastaturkürzel so weit es geht entfernt werden. Für diese Art von Anwender ist es nicht nötig ein Kürzel für den Wechsel des Tastatur-Layouts anzubieten. Ganz im Gegenteil. Der Anwender drückt aus Versehen eine Tastenkombination und nachher ist das "ß kaputt". Weg damit!

Die Möglichkeiten einen Drucker einzurichten? Weg. Dies gehört ebenfalls zum initialen Aufsetzen des Systems. Wie leicht ist aus versehen ein Drucker gelöscht. Eigentlich sollte man meiner Meinung nach gleich jedliche Konfigurationsmöglichkeit deaktivieren werden. Dies betrifft nicht nur die eigentliche grafische Oberfläche (oder Destkopmanager,  oder wie man es nennen will) sondern die komplette benutzte Software. Wie oft habe ich mir schon Systeme anschauen müssen, bei denen "nichts gemacht wurde", die Konfiguration aber anders war als voher. Z.B. die Sprache auf Spanisch geändert, oder wie schon erwähnt, einfach das Tastatur-Layout geändert. Auch versehentliche Änderungen von Einstellungen des Browsers sind mir schon untergekommen.

Anwender möchten dass das System heute noch weitgehend so funktioniert wie gestern. Dazu unten mehr.

Ich möchte den Anwender hier nicht entmündigen. Wenn er oder sie mit dem System gut zurecht kommt, spricht nichts dagegen die Einstellungen wieder frei zu schalten. Doch annähernd 90% der Familien-Support-Anfragen die ich so bekomme beziehen sich auf veränderte Konfigurationen. Bzw. beziehen sie sich in Wirklichkeit auf "gestern ging es aber noch und ich habe nichts gemacht!", es lässt sich dann aber auf eine Konfigurationsänderung zurückführen. Beim Ändern des Tastatur-Layouts (mein Lieblingsbeispiel), noch nicht einmal einer bewussten Änderung.

Es ist nicht nur so, dass mich solche Art von Anfragen nerven, die Anwender fühlen sich auch noch Dumm. Frustration also auf beiden Seiten und eine Problemlösung in weiter Ferne.

Noch ein Gedanke zum zu wählenden Betriebssystem. Möchte man Long Term Support haben? Ich bin da etwas zwiegespalten. Persönlich setze ich Software ein, die noch an den Kanten blutet. Das ist aus meiner Sicht auch nicht der Königsweg, vor allem nicht für Anwender. Aber ist es LTS? Ich finde kürzere Release-Zyklen in sofern besser, dass sich in kleineren Abständen kleinere Dinge ändern, statt einer großen Änderung alle 3 Jahre. Man stelle sich nur das Szenario des Umstieges von Win XP mit Office 2003 und Internet Explorer 8 auf etwas neues vor. Wirklich jedes Programm hat sich in den Jahren gründlich geändert. Eigentlich möchte man als Admin ein wartungsfreies System. Aber ganz ehrlich. Das wird es nicht geben. Irgendwann wird neue Hardware nicht unterstützt, oder neue Programme laufen auf antiquierten Systemen nicht mehr. Über die Pflege alter Pakete und das ausmerzen von Sicherheitslöcher möchte ich erst gar nicht anfangen. In der DevOps-Bewegung werden lieber viele kleine iterative Rollouts von Software, gegenüber großen Big Bang Rollouts bevorzugt. Ich denke auch Desktop-Systeme können sich sinnvoll in diese Richtung entwickeln.

Ich finde das Benutzbarkeitsproblem mit/in Android und iOS ebenfalls noch nicht gelöst. Klar kann eine 100 Jahre alte Person sich Fotos auf dem iPad anschauen - und nach kurzem zeigen - vor und zurück fahren. Aber wenn dieser oder diese auch nur die Reihenfolge der Icons verändert hat, ist Holland in Not.

Über dieses Thema haben sich bestimmt schon schlauere Menschen als ich den Kopf zerbrochen. Ich war nur wieder einmal frustriert genug etwas ins Internet zu schreiben.

Kommentare: https://plus.google.com/111200602971512069193/posts/TDsUyxoXgjR