Quäl Dich, oder von Basel nach Nizza

Ende letzten Jahres habe ich noch in ein neues Fahrrad investiert. Mir wurde im Nachgang der Florenz-Reise bewusst, dass ein großer Faktor für das Ende nach knapp drei Wochen das Fahrrad war. Ein zu diesem Zeitpunkt ca. 25 Jahre alten Drahtesel, den ich von meinem Opa bekommen habe. Klar war das Rad gut in Schuss, doch es passte einfach nicht so gut.

Wie dem auch sei. Auf diese Reise bin ich mit einem Simplon Kagu 600 gestartet. Als ich die erste Probefahrt mit diesem Rad machte war klar. Das muss ich haben. Egal wie viel es kostet. In den nachfolgenden Jahren (und Touren) wird mir das Rad noch gute Dienste Leisten. Leider gibt es das Rad heute nicht mehr. Zumindest nicht in meinem Besitz. Anfang 2014 ist es mir vor dem Supermarkt geklaut worden. Schloss aufgeflext und weg.

Wir steigen in Basel aus dem Zug aus. Das Wetter ist hervorragend und wir fahren los. Die gesamte Strecke steht noch nicht. Wie ich aber schon im letzten Jahr feststellte, sind die Radwege in der Schweiz hervorragend. Vor allem sehr gut beschildert. Wir folgen der Jura-Route nach Nyon und Sammeln auf den 280km bereits 4500 Höhenmeter.

Entlang des Genfer Sees geht es in Richtung Frankreich. Wir passieren Annecy und Alberville und haben bis St. Michel-de-Maurienne flaches Terrain. Dort steigen wir in die Alpen ein. Wir überfahren den Col du Galibier mit dem vorgelagerten Col du Telegraphe. Mörderische ca. 35km bergauf (abgesehen von einer kleinen Abfahrt vom Col du Telegraphe) für die wir 5 Stunden brauchen werden. Auf dem Weg zum Gipfel werden wir immer wieder von vorbeifahrenden Rennradfahrern angefeuert. Schließlich schleppen wir doch relativ viel Gewicht den Berg hinauf. Nach dem Col du Telegraphe, in Valliore, können Touristen Rennräder mieten und auf den Col du Galibier fahren. Einige überholen wir sogar, trotz Gewichtsunterschied, und ernten entsetzte Gesichter. Wir erzählen lieber nicht, dass wir noch tiefer im Tal gestartet sind. Es ist ein erhabenes Gefühl nach so langer, anstrengender Zeit die Passhöhe auf 2645m zu erreichen.

Es geht den Berg hinunter, flach bis Briancon. Dort steigen wir in den Col d'Izoard ein. Zwar ist die Auffahrt nicht so lang wie die zum Col du Galibier, dafür aber mit giftigen Anstiegen von bis zu 20% gespickt. Wir funktionieren immer noch. Trotz der bisher absolvierten Höhenmetern.

Nach einer rasanten Abfahrt passieren wir Arvieux und Gulliestre ehe wir den Col du Vars in Angriff nehmen. Dieser ist nich so steil und im Verhältnis zu den vorher gefahrenen Pässen etwas einfacher. Unten in St-Paul-sur-Ubaye angekommen ein kleiner Schock. Die einzig für uns mögliche Straße nach Jausiers ist gesperrt. Ein Arbeiter erklärt uns wir sollen umdrehen und über Embrun fahren. Was für uns ein Umweg von mehreren 100km bedeutet hätte. Nicht davon zu sprechen, dass wir den Col du Vars noch einmal hätten bezwingen müssen. Nach einiger Diskussion werden wir (und zwei weitere Radreisende, die wir treffen) durch die Gefahrenstelle eskortiert.

Von Jausiers aus starten wir die Auffahrt auf unseren letzten und gleichzeitig höchsten Pass. Wir starten auf ca. 860m und erklimmen den Col de la Bonette und lassen und den Cime de la Bonette auf 2802m natürlich nicht nehmen. Knappe 40km nur bergauf und ich erinnere mich nicht, wie lange wir im Berg gehangen sind. Oben angekommen ernten wir wieder einiges an Lob und Anerkennung. Nach einer steilen Abfahrt geht es von St-Etienne-de-Tinee relativ flach, aber immer bergab richtung Mittelmeer. Das Klima hat sich merklich geändert. Feuchte wärme. Wir fahren und fahren. Das Ziel so nah vor Augen. Als es bereits Dunkel ist erreichen wir nach weiteren 120km einen Campingplatz in der Nähe von Nizza. Wir haben es geschafft.

Am nächsten Morgen sitzen wir in Nizza an der Strandpromenade auf eine Wiese und Frühstücken. 10 Tage, knapp über 900 Kilometer und 10.000 Höhenmeter. An uns vorbei rauscht das Feld der Tour de France. Noch heute (05. November 2015) bekomme ich beim schreiben dieser Zeilen eine Gänsehaut.

Auch von dieser Reise gibt es leider keine Bilder.